Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten ist am 29. Juni 2023 in Kraft getreten. Diese neue Verordnung ersetzt die Holzhandelsverordnung der EU (EUTR) und zielt darauf ab, die Auswirkungen des EU-Marktes auf die weltweite Entwaldung und Waldschädigung zu verringern. Die EUDR deckt eine ganze Bandbreite an Produkten aus verschiedenen Industrie- und Handelszweigen ab und verlangt von den betroffenen Marktbeteiligten, eine umfassende Sorgfaltsprüfung entlang der Lieferkette durchzuführen. Dies soll sicherstellen, dass relevante Rohstoffe nur auf Flächen erzeugt werden, die nicht nach dem 31.12.2020 entwaldet worden sind bzw. für die keine Waldschädigung stattgefunden hat, und die Produktion von Waren im vollen Einklang mit den Sozial- und Umweltgesetzen des Erzeugerlandes stehen. Bis Ende Dezember 2025 (bzw. Juni 2026 für kleine und mittlere Unternehmen) müssen Hersteller und Händler in den betroffenen Wertschöpfungsketten die Sorgfaltspflichten erfüllen oder mit erheblichen Sanktionen rechnen.
Eine Waldfläche größer als die Europäische Union ist in den letzten 30 Jahren weltweit zerstört worden
Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sind in den letzten 30 Jahren weltweit schätzungsweise 420 Millionen Hektar Wald zerstört worden – das sind etwa 10 % der verbleibenden Wälder der Welt und eine Fläche, die größer ist als die der Europäischen Union.1
Als zweitgrößter Importeur tropischer Abholzung und der damit verbundenen Emissionen gleich nach China2, und als eine der größten Volkswirtschaften und Verbraucher von entwaldungsrelevanten Rohstoffen wie Rindern, Kakao, Kaffee, Palmöl, Kautschuk, Soja und Holz sowie den daraus hergestellten Produkten, tragen die Länder der EU eine entscheidende Verantwortung dafür, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und sicherzustellen, dass die von ihren Einwohnern konsumierten Produkte nicht zu dem alarmierenden Ausmaß und den rapiden Fortschritten der Entwaldung und dem damit verbundenen Verlust der biologischen Artenvielfalt beitragen. Die neue Verordnung ist Teil des europäischen ‘Green Deal’ und reiht sich damit in eine Vielzahl anderer Regulierungen ein, um Lieferketten weltweit nachhaltiger zu gestalten.
Die EUDR ist der Nachfolger der EUTR
Die EUDR und ihre Vorgängerin, die EU-Holzverordnung (EUTR) sind maßgeblich für die Bemühungen der EU zur Eindämmung der weltweiten Entwaldung und zur Verringerung von Waldschädigung. Die genaue Kenntnis der Nuancen dieser beiden Verordnungen ist entscheidend für das Verständnis der sich ändernden Auswirkungen. Ziel ist, die Einhaltung von Standards und die Förderung von Nachhaltigkeitszielen.
Die 2010 in Kraft getretene EUTR wurde eingeführt, um illegale Holzeinschläge zu bekämpfen, und verbot erstmals den Import von illegal erzeugtem Holz oder Holzprodukten in die EU sowie deren Erzeugung in den EU-Staaten. Die EUDR hat zwar das gemeinsame Ziel, Entwaldung zu bekämpfen und Nachhaltigkeit zu fördern, ist aber auf ein breiteres gesetzliches Anliegen ausgerichtet. Sie zielt auf Entwaldung und Waldschädigung ab, unabhängig von der Legalität geplanter Maßnahmen.
Die neue Verordnung deckt zudem ein viel breiteres Spektrum von Waren ab, und verbietet das Inverkehrbringen, Bereitstellen und Exportieren der oben genannten sieben Rohstoffe und deren Erzeugnisse, wenn sie nicht entwaldungsfrei oder in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Produktionslandes (z. B. in Bezug auf Landnutzung, Arbeitsrechte, Menschenrechte) hergestellt worden sind und wenn keine Sorgfaltserklärung vorliegt. Wird ein vernachlässigbares Risiko ermittelt, dass relevante Erzeugnisse nicht konform sind, dürfen diese in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder ausgeführt werden.
Obwohl beide Verordnungen unternehmerische Sorgfaltspflichten vorschreiben, stellt die EUDR deutlich höhere Anforderungen an die Transparenz und verlangt die Geolokalisierung der Anbaugebiete und die Rückverfolgbarkeit von Rohstoffen von der Quelle bis zum Verkaufsort. Ein umfassenderer betrieblicher Geltungsbereich verpflichtet die Marktteilnehmenden, detaillierte Informationen zu sammeln, die die Übereinstimmung der Produkte mit der EUDR belegen. Darüber hinaus müssen gründliche Risikobewertungen vorgenommen werden, die zahlreiche Faktoren, einschließlich der Risikokategorie des Produktionslandes, widerspiegeln. Schließlich müssen festgestellte Risiken durch die Durchführung unabhängiger Surveys und Audits oder die Beschaffung zusätzlicher Unterlagen gemindert und jährliche Sorgfaltserklärungen abgegeben werden, die für zuständige Behörden, Händler und in begrenztem Umfang aber auch für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Produktion von heute die Rechtskonformität von morgen beeinflusst. Während die wichtigsten Verpflichtungen der EUDR erst ab dem 30. Dezember 2025 gelten, müssen Unternehmen rückwirkend nachweisen, dass ihre Rohstoffe seit dem 31. Dezember 2020 entwaldungsfrei sind.
Die Sanktionen sind erheblich
Die Entwaldungsverordnung sieht klare Geldstrafen oder Geldbußen vor, die im Verhältnis zu der Umweltschädigung und zum Wert der relevanten Rohstoffe oder relevanten Erzeugnisse stehen. Darunter Geldbußen von bis zu 4 Prozent des EU-Jahresumsatzes eines Unternehmens, sollte es sich um eine juristische Person handeln. Darüber hinaus kann das betreffende Produkt oder der Erlös aus einer damit verbundenen Transaktion beschlagnahmt werden. Zu den weiteren Sanktionen gehören der vorübergehende Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen und vom Zugang zu öffentlichen Geldern, das vorübergehende Verbot, die betreffenden Waren oder Produkte in Verkehr zu bringen, bereitzustellen oder auszuführen, sowie das Verbot, das vereinfachte Sorgfaltspflichtverfahren anzuwenden.
Unternehmen stehen vor neuen Herausforderungen
Die EUDR befasst sich mit einem Bereich, der für viele Unternehmen noch nicht transparent ist: ihre ‚tiefe Lieferkette‘. Waren durchlaufen oft komplexe, mehrstufige Strukturen, die es erschweren, die von der Verordnung geforderte Transparenz und Rückverfolgbarkeit zu erreichen. Diese Herausforderung verschärft sich zusätzlich, wenn es sich um Rohstoffe handelt, die von Kleinbauern produziert werden und an denen mehrere Agenten und Unteragenten im Herkunftsland beteiligt sind. Angesichts dieser Herausforderungen stehen für Unternehmen drei Schlüsselfragen bei den Vorbereitungen auf die EUDR im Vordergrund:
1. Wie können Informationen über den Ursprung beschafft werden?
2. Wie überprüft man, ob die Produktion mit der lokalen Gesetzgebung übereinstimmt? Dazu gehört die Kommunikation und Überprüfung von Sozial- und Umweltvorschriften, möglicherweise in Zusammenarbeit mit Zertifizierungsstellen und lokalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
3. Wie wird das Risiko bewertet? Risiken im Zusammenhang mit der Geolokalisierung und dem Verhalten der Lieferanten müssen bewertet und für die Sorgfaltserklärung dokumentiert werden.
Wie können sich Unternehmen auf die EUDR vorbereiten?
Die Komplexität und die enorme Menge an Daten, die für die Umsetzung der EUDR erforderlich sind, verlangen von den betroffenen Unternehmen, dass sie ihre Methoden zur Beschaffung, Verarbeitung, Analyse und Verwaltung von Daten neu überdenken. Eine Softwarelösung, die diese Prozesse digitalisiert und automatisiert, ist für die rechtzeitige und einfache Einhaltung der Vorschriften unerlässlich.
Basierend auf langjähriger Erfahrung mit Lösungen entlang der Lieferkette, wie für das Lieferkettengesetz(LkSG) und die Rückverfolgbarkeit in der Lieferkette auf verschiedenen Ebenen, besteht die SaaS-Lösung von osapiens aus verschiedenen Komponenten, die alle Stakeholder entlang der Lieferkette berücksichtigen. Sie unterstützt Landwirte bei der Bestimmung und Übermittlung der geografischen Lage, ermöglicht Exporteuren die Erfassung und Übermittlung relevanter Informationen und hilft Marktteilnehmern und Händlern bei der Abfrage und Weitergabe von Daten, der Durchführung von Risikobewertungen, der Erstellung von Sorgfaltserklärungen sowie dem Ergreifen von Maßnahmen zur Risikominimierung.
Die Softwarelösung osapiens HUB for Deforestation Regulation wird in Zusammenarbeit mit der deutschen Anwaltskanzlei Graf von Westphalen entwickelt, die sich auf die rechtlichen Aspekte der Nachhaltigkeitsberichterstattung spezialisiert hat, um ein Höchstmaß an Rechtssicherheit zu gewährleisten . Ebenfalls zentral ist die Zusammenarbeit und Kompatibilität mit den von der EU bereitgestellten IT-Systemen, wie beispielsweise dem Informationssystem (IS), welches alle Sorgfaltserklärungen enthält sowie der Single-Window-Umgebung der EU, unter anderem verantwortlich für Zollinformationsaustausch in Echtzeit. Sobald die API verfügbar ist, wird sie sich mit den oben genannten IT-Systemen verbinden und Datenpunkte automatisch in die Risikobewertung miteinbeziehen. osapiens HUB for Deforestation Regulation bietet Unternehmen eine vielversprechende Unterstützung, um die Anforderungen der EUDR schnell und unkompliziert zu erfüllen. Darüber hinaus dient sie auch als aufschlussreiches Beispiel für die Einhaltung künftiger ESG-Vorschriften – ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Unternehmenspraktiken.
1 Food and Agriculture Organization of the United Nations. “Executive summary.” The State of the World’s Forests 2022, https://www.fao.org/3/cb9360en/online/src/html/executive-summary.html. Accessed 22 November 2023.
2 “EU consumption responsible for 16% of tropical deforestation linked to international trade – new report.” WWF EU, https://www.wwf.eu/?2831941/EU-consumption-responsible-for-16-of-tropical-deforestation-linked-to-international-trade. Accessed 22 November 2023.
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