Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hat das erste Jahr seiner Umsetzung erfolgreich hinter sich gebracht und stellt in Deutschland einen wichtigen und richtigen Schritt zur Förderung nachhaltiger Lieferketten und damit verantwortungsvoller Unternehmensführung dar. Im Einklang mit dem ‚Green Deal‘ der EU, der eine nachhaltige Unternehmensführung zum europäischen Standard machen soll, verpflichtet das Gesetz betroffene Firmen dazu, vergleichbare ökologische und soziale Standards in ihren Lieferketten anzuwenden. Das LkSG, das in seiner ersten Welle seit dem 1. Januar 2023 in Kraft ist, und zunächst nur Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitenden und einem Standort in Deutschland betraf, verpflichtet Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen, d. h. menschenrechtliche und ökologische Risiken zu erkennen, diesen entgegenzuwirken und diese Bemühungen zu dokumentieren. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes wollen wir die erzielten Fortschritte bewerten, über die Erfolge und Herausforderungen reflektieren und gleichzeitig einen Ausblick auf die Zukunft der betroffenen Unternehmen geben.
Ermutigende Ergebnisse
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausführkontrolle (BAFA) als Aufsichtsbehörde hat sich bei den Kontrollen 2023 vor allem auf das Risikomanagement und das für die Unternehmen vorgeschriebene Beschwerdeverfahren konzentriert. Bemerkenswert ist, dass die meisten Unternehmen interne Verantwortlichkeiten definiert, neue Stellen geschaffen und damit eine solide Grundlage für die Erfüllung weiterer Sorgfaltspflichten gelegt haben.
Eine aktuelle Befragung von 2.000 Unternehmen in Deutschland durch das Handelsblatt Research Institute (HRI) im Auftrag von Creditreform1 ergab, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen bereits auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihrer Lieferkette achtet bzw. in einigen Fällen entsprechende Maßnahmen ergreift. Nach Angaben des BAFA2 wurden im Jahr 2023 insgesamt 486 Inspektionen bei betroffenen Unternehmen durchgeführt, die meisten davon in der Automobil-, Chemie-, Pharma-, Maschinenbau-, Energie-, Möbel-, Textil- sowie Lebensmittel- und Getränkeindustrie. 78 Inspektionen wurden branchenunabhängig anlassbezogen durchgeführt, weil das BAFA mögliche Pflichtverletzungen gesehen hat oder weil sich die Lieferketten verändert haben.
Hinzu kamen 38 Beschwerden, unter anderem von Oxfam, auf Basis derer das BAFA in sechs Fällen Kontakt zu den Unternehmen aufnahm. Positiv hervorzuheben ist, dass die Unternehmen proaktiv auf die Beschwerden reagiert und damit vor allem ihren Willen und ihr Engagement für die Behebung der Probleme unter Beweis gestellt haben. Sanktionen wurden bisher nicht verhängt, was auf eine generelle Einhaltung der neu eingeführten Regelungen hindeutet.
Etappen und Errungenschaften
Seit August 2022 haben mehrere „Handreichungen“, die das BAFA zur Orientierung für betroffene Unternehmen in Deutschland herausgegeben hat, mehr Klarheit in den komplexen Pflichtenkatalog des LkSG gebracht. Diese enthalten detaillierte Informationen über die Sorgfaltspflichten, die Unternehmen erfüllen müssen, um das Lieferkettengesetz einzuhalten. Die Anforderungen an umfassende Risikobewertungen, Maßnahmen zur Risikominderung, Überwachungssysteme und eine transparente Berichterstattung, die in diesen Handreichungen dargelegt sind, haben dazu beigetragen, den Unternehmen einen klaren Rahmen zu geben, um sich in der komplexen Gesetzgebung zurechtzufinden und ihre Verpflichtungen zu verstehen.
Ein bemerkenswerter Meilenstein ist das zunehmende Bewusstsein und Engagement der Unternehmen für verantwortungsvolle Praktiken in der Lieferkette. Dies zeigt sich in der Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Lieferantenauswahl, in regelmäßigen Audits und in der aktiven Förderung von Transparenz. Auch wenn viele Unternehmen noch keine wirksamen Maßnahmen ergriffen haben, hat das Gesetz doch dazu beigetragen, dass einige Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllen. Die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der pakistanischen Gewerkschaften NTUF und HBWWF und der deutschen Menschenrechtsorganisationen FEMNET und ECCHR3 zeigen, dass „Unternehmen sich ernsthaft bemühen, Arbeitsrechtsverletzungen zu untersuchen und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen“. Dies war in der Vergangenheit oft nicht der Fall und zeigt, dass das LkSG bereits eine positive Wirkung hat. Um die Grundsätze des Gesetzes einzuhalten, müssen sich die Unternehmen bemühen, faire Praktiken in ihrer gesamten Lieferkette vollständig zu integrieren.
Schwierigkeiten und Herausforderungen
Trotz der Fortschritte bleiben die Herausforderungen bestehen. Eine der größten Schwierigkeiten für Unternehmen ist die Komplexität ihrer Lieferketten. Lieferketten können mehrere Ebenen von Lieferanten und Unterlieferanten umfassen, was es schwierig macht, jeden Schritt des Produktionsprozesses zu verfolgen und zu überwachen. Daher ist es für Unternehmen oft schwierig, von ihren Lieferanten genaue und zuverlässige Informationen über deren Praktiken und die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltvorschriften zu erhalten.
Eine weitere Herausforderung ist das Fehlen standardisierter Berichterstattungs- und Überprüfungsmechanismen, die es den Unternehmen erschweren, die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Lieferketten genau zu bewerten. Die Unternehmen sind daher auf Selbstberichte und freiwillige Audits angewiesen, die sich in ihrer Intensität und Zuverlässigkeit unterscheiden können.
Die Umsetzung des LkSG hat auch deutlich gemacht, wie wichtig die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Partnern in der Lieferkette ist. Effektive Kommunikation und Zusammenarbeit sind entscheidend für den Austausch von Informationen, die Lösung von Problemen und die Umsetzung verantwortungsvoller und nachhaltiger Praktiken.
Darüber hinaus spielen der Aufbau und die Schulung von Personal eine entscheidende Rolle bei der Einhaltung des Lieferkettengesetzes. Unternehmen sollten auch in die Schulung ihrer Lieferanten und Subunternehmer investieren, damit diese die Anforderungen des LkSG verstehen und wissen, wie sie diese effektiv erfüllen können. Dazu gehören Schulungen zu Menschenrechts- und Umweltvorschriften sowie Anleitungen zur Einführung nachhaltiger Prozesse und verantwortungsbewusster Beschaffung. Laut der HRI-Umfrage benötigen rund 30 Prozent der Unternehmen eine Vollzeitstelle für das Gesetz. Ebenso viele Unternehmen geben an, bis zu drei Vollzeitstellen zu benötigen. Knapp 17 Prozent der Unternehmen benötigen sogar bis zu sechs Vollzeitstellen und rund zehn Prozent sogar noch mehr. Das Problem: Für KMU ist der Aufwand im Verhältnis zu ihrer Mitarbeiterzahl und ihrem Umsatz deutlich höher. Im Gegensatz zu Großkonzernen, die ihre Pflichten mit vergleichsweise geringem Aufwand erfüllen können, sind KMU benachteiligt. Die Jahresbilanz des BAFA zeigt zudem, dass einige Unternehmen versucht haben, ihre Verpflichtungen aus dem LkSG durch vertragliche Zusicherungen auf ihre mittelständischen Lieferanten abzuwälzen. Eine solche pauschale Übertragung der Pflichten aus dem LkSG auf die Lieferanten ist jedoch nicht zulässig.
Digitalisierung und Automatisierung
Bei der Bewältigung der Herausforderungen des LkSG haben sich mehrere gute Praktiken für Unternehmen herauskristallisiert. Erstens haben die Unternehmen festgestellt, dass die Implementierung eines speziell für das Lieferkettenmanagement und die Rückverfolgbarkeit entwickelten Softwaretools ihre Fähigkeit, ihre Lieferketten effektiv zu überwachen und zu verwalten, erheblich verbessern kann. Diese Tools bieten Funktionen wie die Verfolgung von Produkten in Echtzeit, die Rückverfolgbarkeit von Materialien und Komponenten und die automatische Datenerfassung für Berichtszwecke. Durch den Einsatz eines Softwaretools können Unternehmen ihr Lieferkettenmanagement verbessern und die Einhaltung von Vorschriften wie dem LkSG sicherstellen.
Die zweite Lektion war, dass die regelmäßige Durchführung von Lieferantenaudits und -bewertungen nützlich ist. Diese Audits ermöglichen es, die Einhaltung der Menschenrechts- und Umweltvorschriften durch die Lieferanten zu bewerten, Verbesserungsmöglichkeiten zu ermitteln und gegebenenfalls Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Die Unternehmen haben auch erkannt, wie wichtig es ist, klare und transparente Kommunikationskanäle mit ihren Partnern in der Lieferkette zu schaffen. Durch regelmäßige Kommunikation können Unternehmen einen Geist der Zusammenarbeit und des Vertrauens fördern und sicherstellen, dass alle Parteien in Bezug auf verantwortungsvolle Praktiken auf derselben Seite stehen. Die Anwendung dieser bewährten Praktiken stellt nicht nur die Einhaltung der Anforderungen des LkSG sicher, sondern ermöglicht es den Unternehmen auch, sich auf die bevorstehende, noch umfassendere europäische Gesetzgebung zur Lieferkette, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), vorzubereiten.
Vorausplanung für die Einhaltung der Vorschriften
Seit dem 1. Januar 2024 ist die zweite Welle des LkSG in Deutschland in Kraft getreten und verpflichtet Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, die Anforderungen des LkSG zu erfüllen. Bei Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten wird der Schwerpunkt der BAFA-Prüfungen weiterhin auf der Risikoanalyse liegen. Auch in diesem Jahr wird das BAFA nach eigenen Angaben auf einen kooperativen Ansatz setzen, der darauf abzielt, dass Unternehmen gemeinsam mit ihren Lieferanten die Menschenrechtssituation in ihren Lieferketten verstehen und verbessern.
Die Umsetzung des LkSG hat den Unternehmen gezeigt, dass eine vorausschauende Planung von entscheidender Bedeutung ist. Eine gründliche Bewertung der Lieferketten, die Identifizierung möglicher Risiken und Schwachstellen sowie die Entwicklung entsprechender Strategien sind dabei von zentraler Bedeutung. Unternehmen, die proaktiv auf diese Anforderungen des LkSG reagiert und rechtzeitig Maßnahmen zur Einhaltung ergriffen haben, waren besser in der Lage, die Herausforderungen zu meistern und die Verpflichtungen zu erfüllen. Unternehmen, die bereits vor Einführung des LkSG in nachhaltiges Lieferkettenmanagement investiert haben, konnten sich reibungsloser und effizienter an die neuen Anforderungen anpassen.
Eine Möglichkeit für eine effiziente Vorausplanung ist der Einsatz einer digitalen Lösung, die für das Lieferkettenmanagement entwickelt wurde, um Transparenz und Rückverfolgbarkeit zu schaffen. Eine zentrale Herausforderung bei der Umsetzung des LkSG im Jahr 2023 bestand darin, dass Unternehmen mehr Sichtbarkeit und Transparenz in ihren Lieferketten schaffen mussten. Softwarelösungen bieten hier klare Vorteile: Sie bieten eine zentrale Plattform, um jeden Prozess in der Lieferkette von der Rohstoffbeschaffung bis zur Auslieferung des Endprodukts zu verfolgen und zu überwachen. Diese Transparenz ermöglicht es Unternehmen, potenzielle ethische und ökologische Probleme zu erkennen und anzugehen und die Einhaltung des LkSG sicherzustellen.
Darüber hinaus können Unternehmen mit Hilfe von Softwarelösungen Daten über ihre Lieferanten sammeln und analysieren, z. B. Audits, Zertifizierungen und Leistungsindikatoren. Dieser datengestützte Ansatz hilft Unternehmen nicht nur dabei, die Einhaltung von Ethik- und Nachhaltigkeitsstandards durch ihre Lieferanten zu bewerten, sondern ermöglicht es ihnen auch, fundierte Entscheidungen über die Auswahl von Lieferanten und die Zusammenarbeit mit ihnen zu treffen. Durch den Einsatz geeigneter Software für das Lieferkettenmanagement können Unternehmen zudem Risiken proaktiv managen und potenzielle Verstöße in ihren Lieferketten identifizieren.
Der osapiens HUB for Due Diligence ist speziell darauf ausgerichtet, die Anforderungen des deutschen und europäischen Gesetzes zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette (LkSG/CSDDD) nahtlos, digital, automatisiert und rechtssicher zu erfüllen. Entdecken Sie, wie unsere Lösungen eine schnelle, sichere und digitale Umsetzung aller Sorgfaltspflichten in Ihrem Unternehmen gewährleisten und darüber hinaus weitere Anwendungsbereiche im Rahmen der zahlreichen ESG-Regularien wie der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) abdecken, um die Compliance Ihres Unternehmens gezielt zu verbessern.
Quellen:
1 „Große Mehrheit für Lieferkettengesetz“. Handelsblatt, www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/lieferkette-grosse-mehrheit-fuer-lieferkettengesetz/100002172.html.
2 „Ein Jahr Lieferkettengesetz: BAFA zieht positive Bilanz.“ Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), https://www.bafa.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Lieferketten/2023_21_1_jahr_lksg_-_bafa_zieht_positive_bilanz.html#:~:text=Januar%202023%20m%C3%BCssen%20Unternehmen%20mit,Unternehmen%2C%20ohne%20sie%20zu%20%20%C3%BCberfordern.
3 „Lieferkettengesetz zeigt Wirkung: Modemarken reagieren auf Hinweise zu Arbeitsrechtsverletzungen“. European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), www.ecchr.eu/pressemitteilung/ein-jahr-lieferkettengesetz-vortragsreise-zu-arbeitsbedingungen-in-pakistan.
The German Supply Chain Due Diligence Act (LkSG) has successfully completed its first year of implementation and represents an important and correct step towards promoting sustainable supply chains and thus responsible corporate governance in Germany. In line with the EU’s Green Deal, which aims to make sustainable corporate governance the European standard, the law requires companies to apply comparable environmental and social standards in their supply chains. The first wave of the LkSG which came into force on 1 January 2023 and initially only affected companies with more than 3,000 employees and a location in Germany, requires companies to fulfil their due diligence obligations, i.e. to identify human rights and environmental risks, counteract them and document these efforts. One year after the law came into force, we want to assess the progress made, reflect on the successes and challenges, and look ahead to the future of the companies concerned.
Über osapiens
Christian Feuring
Externer KommunikationsmanagerWeiterlesen
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